Der Kaffee-König, von Fossabiuba nach Brasilien
Im Jahre 1886 entschlossen sich Nicolò und Luigia Lunardelli, ein junges Ehepaar, ihr Haus und ihre Verwandten in Fossabiuba di Mansuè zurückzulassen und sich den vielen Auswanderern, die sich auf den Weg nach Brasilien machten, anzuschließen. Er war 25 Jahre und sie 22 Jahre alt und als sie sich auf den Weg machten, hatten sie ihren Sohn Geremia, der ein Jahr vorher geboren wurde, im Arm. Im Herzen hofften sie auf ein anderes Leben, Ländereien, die nicht anderen, sondern ihnen gehörten und die sie mit Liebe und mit der Erfahrung bestellen würden, die ihnen ihre Familie, Generationen von Bauern vermacht hatten. Die Realität sollte aber ganz anders aussehen: Nicolò starb einige Jahre später und Luigia heiratete erneut, während Geremia von klein auf als Untergebener auf Fazendas, großen Gutshöfen, arbeitete. Er arbeitete und, siehe da, verliebte sich. Er verliebte sich in den Kaffee, die grünen Weiten dieser hohen, fruchtbaren und ergiebigen Pflanzen. Als Sechzehnjähriger beginnt er einige Kühe und Schweine zu züchten und auf dem Markt zu verkaufen. Er fängt an, etwas zu verdienen und zu sparen. Unter Entbehrungen, aber mit einem ganz bestimmten Ziel, das mit seinem ersten kleinen Besitz, der einige tausend Pflanzen zählt, Formen annimmt… Und dann lernt er als Autodidakt Lesen und Schreiben, betätigt sich mit elementaren Einfällen als Landwirt, Händler, Grundstücksvermittler, Zuckerrohrproduzent und schlägt sich mehr schlecht als recht durch. Vor Augen und im Herzen hat er dabei aber nur den Kaffee. Er sucht die fruchtbarsten Ländereien aus. Er erkennt sie mit bloßem Auge und am Geruch, sucht auch außerhalb des Bundesstaates São Paulo und sogar in Paraná nach ihnen und wächst und wächst. So wird er im Alter von nur dreißig Jahren „O rei do cafè“, der weltweit größte Kaffeeproduzent und Kaffeehändler! Sein Erfolg hält an und in den fünfziger Jahren besitzt er 14 Millionen Pflanzen, 11.500 Hektar gutes Land, auf dem Baumwolle angebaut wird, 25.375 Hektar Viehfutter, 30.000 Stück Vieh, 5.000 Hektar Zuckerrohrplantagen und eine Zuckerfabrik, die jährlich 30.000 Sack Zucker ausstößt.
Geremia Lunardelli, ein Mann der Tat, wird, ohne die bescheidenen Verhältnisse, aus denen er stammt, jemals zu vergessen, ein Magnat. Sein ganzes Leben lang spricht er weiterhin mit seinen Angestellten und arbeitet eifrig weiter und behält dabei immer die für die Leute aus dem Veneto typischen Züge der Bescheidenheit bei: Deshalb und auch, um die Gesetze seiner Heimat jenseits des Ozeans, die die Adelstitel demokratisch abgeschafft hatten, zu beachten, lehnte er den Grafentitel, den ihm der König von Italien 1928 angeboten hatte, und auch den Titel als Markgraf, den ihm der Heilige Stuhl 1946 für die Nächstenliebe, die er den Bedürftigen gegenüber immer gezeigt hat, verleihen wollte, ab. Die Dankbarkeit, die er Brasilien gegenüber zu empfinden glaubte, wollte er hingegen gebührend anerkennen und unterstützte deshalb die Gründung des Museums der bildenden Künste in São Paulo, dem er absolut bedeutende Werke, Skulpturen von Rodin, Gemälde von Goya, Velasquez, Renoir, Rembrandt… schenkte. Er starb 1962 und hinterließ sein Vermögen neun Kindern und Dutzenden von Enkeln und klagte bis zu seinem Lebensende über ein einziges Ärgernis: Die Unfähigkeit der Politiker den Wert der Landwirtschaft zu verstehen. „Die Liebe zum Grund und Boden – sagte er – muss auf die Probe der Arbeit gestellt werden. So steigt man zum König auf!“
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